Schranzen, Schwätzer, Hochstapler
Ein Beitrag von unseren Gastautor A. Behrend
Leistungsgesellschaft (…) ist die Modellvorstellung einer Gesellschaft, in welcher die Verteilung angestrebter Güter wie Macht, Einkommen, Prestige und Vermögen entsprechend der besonderen Leistung erfolgt. (Wikipedia)
Diese Vorstellung suggeriert, die Mächtigsten und Reichsten in der Gesellschaft hätten die größten Leistungen erbracht und säßen zu Recht und verdient an den Hebeln der Macht. Sie hätten quasi die Leiter des Erfolgs von unten hinauf aus eigener Kraft erklommen – in einer Gesellschaft, wo Leistung messbar und vergleichbar ist. Doch das ist sie kaum. Der Leistungssport vermittelt immerhin die Illusion davon (doch bei genauer Betrachtung spielt Geld eine wesentliche Rolle). Die Definition von Leistungsgesellschaft impliziert auch, dass man nur genug leisten muss, um Güter und Posten zu erlangen. Aber die wenigsten Tellerwäscher werden Millionäre, und die wenigsten Millionäre waren Tellerwäscher.
Irgendwas ist also faul an der Leistungsgesellschaft. Leistung ist in den seltensten Fällen nach objektiven Kriterien messbar. Meist ist die Leistung der subjektiven Beurteilung, sprich: dem Wohlwollen von Personen unterworfen, die sich in der Hierarchie weiter oben befinden und über die Verteilung von Geld und Macht an die Untergebenen entscheiden. Leistende tun gut daran, sich »wohl« zu verhalten. Diese Form der Leistung erfordert nicht zwangsläufig Fachkompetenz. Der stromlinienförmige Systemling gleitet ohne anzuecken die Hierarchie hinauf. Sie haben Bilder im Kopf? Das wäre beabsichtigt!
Konformität schlägt Kompetenz. Nur in seltenen Fällen kommt beides gleichzeitig vor. Es ist also ein gigantischer Irrtum zu glauben, auf Spitzenpositionen säßen die fähigsten Köpfe, die sich in einem harten Wettbewerb bewähren mussten. Durchaus haben diese Menschen einen Wettbewerb durchlaufen und der mag auf seine Weise hart gewesen sein, aber er hatte oft wenig mit den fachlichen Fähigkeiten zu tun, die vonnöten wären, um beispielsweise ein Ministerium oder ein Land zu führen.
Die herrschende (sic!) Form des Leistungsprinzips spült die Konformisten nach oben, die aalglatten Schranzen, die Schwätzer und Hochstapler, die überdies in der Lage sind, Konkurrenten elegant und geräuschlos aus dem Weg zu räumen. Nun könnte man einwenden, dass es schließlich keinen Studiengang „Bundeskanzler (w/m/d)“ gibt – geschenkt. Aber ein Gesundheitsminister könnte zumindest etwas mit Gesundheit gelernt haben. Mäandert die Vita von Archäologie, Volkswirtschaftslehre zu Medizin, könnte man für den Posten der Familienministerin gerade noch geeignet sein, weil man sieben Kinder hat. Was aber qualifizierte Frau von der Leyen für das Verteidigungsministerium? Kenntnisse über die Schlacht von Troja?
Die Liste solcher „Seiteneinsteiger“ ließe sich beliebig fortsetzen. All diese Abnicker haben eines gekonnt: sie haben sich angepasst in einem System, das Anpassung belohnt. Das war ihre Leistung, die sie in unserer Konformitätsgesellschaft erfolgreich erbracht haben. Auf dem Weg durch die Instanzen ihrer Karriere war keine der Eigenschaften dienlich, die sie in einer Krise benötigen würden. Die Nonkonformisten jedoch, die Mutigen, Kritischen, Kantigen, die keine Angst vor Fehlern und Konsequenzen haben, werden ausgesiebt und weggebissen. Christoph Lütge, Dr. Friedrich Pürner, David Claudio Siber … Auch diese Liste lässt sich fortsetzen.
Wo Leistung nicht messbar ist, kann man aus Leistung resultierende Ansprüche nicht geltend machen. Man ist verstrickt in einem System aus multiplen Abhängikeiten und Privilegien, mit denen man auf legale Weise korrumpiert wird. Die sogenannte Leistungsgesellschaft ist ein Etikettenschwindel. Sie ist in Wahrheit eine Seilschaft für Wichtigtuer, Schaumschläger und Gleichmacher, in der sich die Unfähigkeit mit der Zeit bis in die obersten Etagen fortpflanzt und dort aufsummiert. Sie ist eine Hierarchie, die echte Leistung boykottiert und sanktioniert. Individualität wird nur symbolisch auf symbolischen Nebenschauplätzen geduldet, dort aber geradezu exzessiv zelebriert. Diversität ist ein wohlfeiles Feigeblatt. Man kann zwischen 200 Sorten Joghurt wählen, sollte aber nur eine, nämlich die »richtige« politische Haltung kundtun, will man nicht in den (a)sozialen Medien durch einen angepassten Mob zurück in den schmalen Meinungskorridor verbracht werden. Filterblasen dulden weder Widerspruch noch differenzierte Sichtweisen. Diese Unkultur wirkt hinein in kleinste Strukturen, Familien, Freundeskreise, die Schule. Weder parlamentarisch noch in der internationalen Politik gibt es eine akzeptierte Gegenposition, auf die man sich berufen könnte.
„Die da oben werden schon wissen, was sie tun!“ ist ein Irrtum. Wir werden regiert von selbstgerechten Alles-richtig-Machern, die sich schon lange vor Corona in ihren Glaubenssätzen verrannt haben.
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